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Warum die meisten Hybrid-Teams scheitern (und was erfolgreiche anders machen)

Auf einer (KI-) Mittelstandskonferenz kam eine Führungskraft zu mir: „Unsere Hybrid-Meetings sind ein Disaster. Die im Büro reden über die hinweg, die zu Hause sind. Die zu Hause sind unsichtbar. Wenn das so weiter geht, gibt es bald wieder Präsenzpflicht.“

Was eigentlich alle ahnen: Die Lösung mangelhafter Zusammenarbeit liegt nicht im Wo, sondern im Warum.

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(Mit NotebookLM erstellt)

Das systemische Problem hinter Hybrid-Chaos

In meinem ersten Artikel über Systemtheorie und Home Office habe ich die systemischen Paradoxien hinter Return-to-Office-Mandaten analysiert: Wie Unternehmen versuchen, Identitätsprobleme durch räumlichen Zwang zu lösen, obwohl echte Zugehörigkeit durch gemeinsames Handeln entsteht. Das heutige Problem: Teams arbeiten hybrid ohne bewusste Strategie – und scheitern an beiden Enden.

Das Problem: Die meisten Teams und Führungskräfte haben sich nie gefragt, warum sie sich physisch treffen. Stattdessen herrscht ein diffuser Default-Modus.

Das ist Führung durch Kalender-App, nicht durch Strategie.

Die Forschung zeigt, warum das scheitert: Cramton (2001) beschreibt das „Mutual Knowledge Problem“ – in unstrukturierten Hybrid-Settings gehen gemeinsame Bezugspunkte verloren. Teams entwickeln Informations-Silos, ohne es zu merken.

Der systemische Hebel: Statt Location-first zu denken („Wo arbeiten wir?“), müssen wir Purpose-first denken („Warum treffen wir uns?“).

Präsenz oder Remote? Purpose entscheidet!

Forschung aus über zwei Jahrzehnten zeigt: Physische Präsenz hat spezifische Superkräfte – aber nur für bestimmte Aufgaben, die sich in vier Purpose-Kategorien zusammenfassen lassen:

🚩1. Innovation Spaces (Quartalsweise)

Zweck: Breakthrough-Thinking, komplexe Problemlösung, strategische Planung

Die Wissenschaft: MIT-Studie zu physischer Nähe mit über 40.000 Forschungsarbeiten belegt: Forscher im selben Arbeitsbereich arbeiten doppelt so wahrscheinlich zusammen als solche, die 400 Meter entfernt sind. Warum? Komplexe Ideen entstehen durch spontane Verbindungen, die in digitalen Räumen schwer replizierbar sind.

In der Praxis: „Am Whiteboard sehen wir Systemzusammenhänge, die in Zoom verloren gehen. Zwei Stunden gemeinsam an der Wand bringen mehr als zwei Wochen Miro-Boards.“

🚩2. Connection Hubs (Monatlich)

Zweck: Informelle Netzwerke stärken, kulturelle Bindung, Team-Chemie

Die Wissenschaft: Forschung zu sozialen Netzwerken und Teamperformance zeigt: Teams mit starken informellen Beziehungen sind deutlich produktiver. Diese Beziehungen entstehen primär durch „schwache Signale“ – zufällige Begegnungen, geteilte Erfahrungen, non-verbale Kommunikation.

In der Praxis: Der Kaffee-Plausch, der zur spontanen Projekt-Idee wird. Das freiwillige Team BBQ, das Vertrauen schafft. Die informellen 10 Minuten nach dem Remote-Meeting, die mehr klären als die Agenda.

Was die meisten „Kultur-Meetings“ dagegen leisten: Sie produzieren Anwesenheit, aber keine Verbindung.

🚩3. Collaboration Centers (Projektbasiert)

Zweck: Koordination komplexer, interdependenter Aufgaben

Die Wissenschaft: Forschung zur Komplexität von Collaboration-Aufgaben zeigt: Bei Aufgaben mit hoher Interdependenz ist physische Zusammenarbeit der digitalen überlegen. Studien zu virtuellen Teams belegen, dass „kollaborieren auf Distanz besonders schwierig ist, wenn die Arbeit komplex ist“ – gleichzeitige Bearbeitung, spontane Korrekturen, kollektive Problemlösung und die emotionale Gradmessung funktionieren face-to-face messbar besser.

In der Praxis: Crisis Management, Design Sprints, komplexe System-Architektur, Retrospektiven nach schwierigen Projekten. Alles, wo Teams in Echtzeit aufeinander (inhaltlich und emotional) reagieren müssen.

🚩4. Learning Labs (Bedarfsbasiert)

Zweck: Wissenstransfer, Mentoring, komplexe Skill-Building-Prozesse

Die Wissenschaft: Nonaka & Takeuchi (1995) prägten den Begriff „tacit knowledge“ – Wissen, das nicht verbalisiert werden kann. Bei komplexen, kontextuellen Lernprozessen ist physische Nähe oft überlegen.

Art der Arbeit entscheidet: Für reine Coding-Skills oder Tool-Tutorials funktioniert digitales Lernen hervorragend. Aber bei strategischem Denken, Führungskompetenzen oder komplexer Problemlösungsarchitektur zeigt sich der Unterschied.

In der Praxis: Intensive Coaching-Sessions, strategische Workshops, Onboarding in komplexe Systemlandschaften, Cross-Team-Knowledge-Transfer bei kritischen Projekten.

Klares System statt frust und Absprachen

Eine IT-Führungskraft aus dem Mittelstand, die ich coache, beschrieb ihre Wende so: „Früher haben wir uns komplett unstrukturiert mal hybrid, mal komplett remote getroffen. Aber ohne die Sinnhaftigkeit zu hinterfragen – effizient geht anders!“

Die Transformation: In Zusammenarbeit mit ihrem Team kategorisierte sie alle Meetings nach erwarteten Ergebnissen statt nach Gewohnheit:

  • Daily Stand-ups: Digital (reine Information, schnell, routiniert)
  • Sprint Planning: Hybrid (Mix aus Info und leichter Koordination)
  • Bug-Analysen: Physisch ins Büro („Technisch können wir die Bugs auch remote analysieren. Aber wenn es richtig schwierig wird und jemand einen Fehler gemacht hat, dann wird es schnell emotional. Da ist es einfach besser, wenn wir uns in die Augen schauen können und das direkt klären.“)
  • Retrospektiven: Flexibel – normale Sprints digital, schwierige Phasen oder jeden 3.-4. Termin physisch für die emotionale Komponente

Der Schlüssel zum Erfolg: Die Akzeptanz war extrem hoch, weil das Team selbst die Kategorisierung mitentwickelt hatte. Keine Führungs-Direktive von oben, sondern gemeinsame Erkenntnis.

Das ist der Unterschied zwischen „Wir müssen ins Büro“ und „Wir wollen uns für XY treffen.“

Das Ergebnis: 70% weniger physische Meetings, aber die verbliebenen 30% sind „Gold wert“. Ihre neue Regel: „Die Art der Aufgabe bestimmt den Ort, nicht der Kalender.“

Die systemische SchlüsselFrage

Aus all der Forschung und Praxis destilliert sich eine Frage, die viel verändern kann:

„Welches konkrete Ergebnis rechtfertigt physische Präsenz?“

Nicht: „Sollen wir uns treffen?“ Sondern: „Was kann nur gemeinsam im Raum entstehen?“

Diese Frage entlarvt 80% aller Büro-Meetings als das, was sie sind: Gewohnheit ohne Zweck.

Der systemische Hebel: Weniger ist mehr

Hier liegt die Ironie: Je seltener Teams physisch zusammenkommen, desto wertvoller werden diese Momente. Purpose-driven Physical Spaces schaffen, was chaotisches Hybrid zerstört: Intentionalität.

Teams, die Purpose vor Place setzen, entwickeln drei entscheidende Kompetenzen:

  • Bewusste Entscheidungsfähigkeit statt reflexartige Meeting-Kultur
  • Digitale Effizienz für Routine-Aufgaben
  • Physische Intensität für High-Value-Interaktionen

Eine kleine Anpassung kann viel im System ändern. Führung wird strategischer, Teams eigenverantwortlicher, physische Räume wertvoller.

⭐Der Bonus für Führungskräfte: Weniger operative Meeting-Koordination, mehr strategischer Fokus. Statt täglich zu entscheiden „Wer muss wo sein?“, können sie sich auf das konzentrieren, was wirklich führungsrelevant ist.


Hybrid funktioniert – aber nur mit System. Teams, die Purpose vor Place setzen, haben plötzlich Meetings, die Sinn ergeben. Sprechen Sie mich gerne an, wenn Sie Unterstützung durch Teamcoaching oder Sparring wünschen.

Ines Schaffranek

Ines Schaffranek

Systemische Teamcoaching + Führungskräfteenwicklerin

Ines ist Sparringspartnerin für Führungskräfte, die in komplexen Systemen navigieren. Nach ihrem Kulturwissenschaftsstudium und Jahren der Beobachtung, wie Teams sich selbst sabotieren, hat sie ihre Mission gefunden: Zusammenarbeit so zu gestalten, dass Menschen aufblühen statt ausbrennen. Seit 2019 begleitet sie als systemischer Teamcoach (ORSC) Organisationen beim Debugging ihrer Führungskultur. Privat tauscht sie Systemtheorie gegen Schwerkraft – beim Rollerskating in Rampen, wo Fehler sofort spürbar werden.

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