Gratulation zum neuen Job. Sie haben 24 Monate.
Eine Führungskraft kommt zu mir ins Coaching. Sie steht vor einer neuen Rolle – und will es diesmal besser machen.
Ihren letzten Job hat sie verloren. Nicht, weil sie unqualifiziert war – im Gegenteil. Sondern weil sie zu viel, zu schnell, zu allein wollte. Sie wollte Wandel, wo noch Orientierung gefehlt hat. Und sprach in einer Sprache, die zwar „richtig“ war – aber nicht anschlussfähig.

Diesen Artikel als 6 Minuten Podcast abspielen:
(Mit NotebookLM erstellt)
Nr. 1: Das System kennenlernen
Ihr erster Instinkt wird sein: Vision verkünden. Präsenz zeigen. Sofort handeln.
Stopp.
Sie treten nicht in eine leere Führungsrolle ein. Sie betreten ein bereits funktionierendes System mit eigenen Regeln, Routinen und Ritualen. Es hat eine Geschichte – und Sie kommen erst einmal zu spät zur Unterhaltung.
Die systemische Regel: Bevor Sie führen, verstehen Sie, was bereits geführt wird.
Konkreter Systemcheck für die ersten Tage:
Führen Sie 1:1-Gespräche mit Schlüsselpersonen. Fragen Sie:
- „Was läuft hier gut – und was wird selten offen angesprochen?“
- „Worauf sollten neue Führungskräfte besser nicht gleich treten?“
- „Wie würden Sie die Teamkultur beschreiben, ohne das Wort ‚Kultur‘ zu verwenden?“
Diese Fragen öffnen das kommunikative System und zeigen Ihnen die unsichtbaren Strukturen, die das Team wirklich steuern.
Nr. 2: Wenn das System Sie testet (und es wird Sie testen)
Es wird passieren. Ein erfahrener Mitarbeiter sagt im Meeting: „Das hat vor Ihnen auch schon mal jemand versucht – hat nicht funktioniert.“
Ihr Reflex: Kontern. Autorität zeigen. Stärke demonstrieren.
Systemische Alternative:
Das System testet nicht Sie persönlich. Es testet Ihre Anschlussfähigkeit – Ihre Fähigkeit, mit der bestehenden Kommunikationskultur zu arbeiten, statt dagegen.
Antworten Sie: „Klingt, als stecken da wichtige Erfahrungen dahinter, die ich verstehen sollte. Können Sie mir erzählen, was damals passiert ist?“
Sie öffnen damit ein Kommunikationsfenster und verhindern, dass Sie zur Projektionsfläche für alte Frustrationen werden.
Nr. 3: Struktur vor Aktionismus
Das Team liefert nicht, was vereinbart wurde. Ihre erste Idee: Härtere Deadlines. Mehr Klarheit. Mehr Druck. Mehr Home-Office-Zwang.
Hier liegt der systemische Denkfehler: Wenn ein System strukturell nicht auf Verbindlichkeit ausgerichtet ist, wird es Ihre Deadlines nicht verarbeiten können – egal, wie klar Sie kommunizieren.
Die systemische Diagnose:
Laden Sie das Team ein, sein eigenes System zu beschreiben:
- „Wie treffen wir hier eigentlich Entscheidungen?“
- „Wie gehen Aufgaben durch unsere Schleifen?“
- „Was geschieht hier regelmäßig, obwohl es niemand bewusst beschlossen hat?“
Diese Selbstbeschreibung ist der erste Schritt zu einer neuen Ordnung – die aus dem System heraus entsteht, nicht von außen aufgezwungen wird.
Nr. 4: Kluge Irritationen einführen
Jetzt können Sie irritieren – aber systemisch klug.
Anstatt Veränderungen zu verkünden, führen Sie Unterschiede ein, an denen sich das System reiben kann – ohne zu kollabieren.
Beispiel für strukturierte Irritation:
Sie präsentieren in einem Meeting zwei verschiedene Strategieoptionen. Eine konservative. Eine mutige. Und sagen: „Ich bin unsicher, ob wir eher Routinen stabilisieren oder mutig aufbrechen sollten. Was ist Ihre Einschätzung?“
Sie führen damit einen produktiven Widerspruch ein – nicht als Entscheidung, sondern als Beobachtungseinladung. Das Team beginnt, sich selbst und seine Gewohnheiten zu reflektieren.
Das ist Führung auf systemischem Niveau.

Geduld ist das neue Tempo
Harvard-Professor John Quelch warnt vor der klassischen „90-day listening tour“ neuer Führungskräfte – sie sei in der heutigen schnellen Welt sogar gefährlich. Aber die ersten kritischen Wochen sind keine Wartezeit. Sie sind Systemlernzeit.
Sie beobachten die kommunikativen Muster. Sie verstehen die kulturellen Codes. Sie identifizieren die Hebel, die wirklich funktionieren. Dann – und erst dann – können Sie nachhaltig führen.
Ihr systemischer Führungsstart: Die Transferliste
Statt… | Systemisch klug: |
---|---|
Vision sofort verkünden | Kulturelle Erzählungen verstehen |
Autorität demonstrieren | Anschlussfähigkeit beweisen |
Schnelle Maßnahmen | Selbstbeobachtung des Systems fördern |
Deadlines verschärfen | Verbindlichkeitsstruktur analysieren |
Erfolge betonen | Produktive Spannungen sichtbar machen |
Beobachten, verstehen, ändern
Scheitern beginnt selten am Tag 90. Es beginnt in den ersten Tagen, wenn Sie glauben, Sie müssten sofort liefern.
Organisationen reagieren nicht auf Personen, sondern auf Kommunikation. Wenn Sie verstehen, wie das System kommuniziert, können Sie es führen.
Die ersten kritischen Wochen sind Ihre wertvollste Investition. Nutzen Sie sie, um das System zu verstehen, bevor Sie es verändern.
Lassen Sie sich von der Systemtheorie Niklas Luhmanns inspirieren, ohne in akademisches Fachchinesisch zu verfallen. Komplexe Führungssituationen brauchen systemische Klarheit – nicht mehr Aktionismus.

Ines Schaffranek
Systemische Teamcoaching + Führungskräfteenwicklerin
Enter: Debug Feed
📧Monatlich kostenlos im Postfach:
Ich übersetze komplexe Führungstheorien in praktische Impulse, die Ihren Verantwortungsbereich neu durchleuchten. Ohne Fachchinesisch, ohne Einarbeitungszeit - nur die Upgrades, die wirklich funktionieren.
Sie bekommen:
- Neue Perspektiven für festgefahrene Führungssituationen
- Praktische Impulse aus anonymisierten Coaching-Sessions
- Aha-Momente durch übersetzte Forschungserkenntnisse
- Debugging-Ansätze für komplexe Teamdynamiken
Für Sie ausgewählt:
Führen wir noch mündig – oder nur noch prompt?
KI formuliert perfekt – aber Teams verstehen trotzdem nicht. Warum Führungskräfte ihre Kommunikations-Mündigkeit zurückgewinnen müssen.
CIA-Pizza-Index: Warum Ihr Team längst sendet, was Sie übersehen
Was haben Pentagon-Pizza-Bestellungen mit Teamkommunikation zu tun? Eine ganze Menge. Denn Ihr Team sendet längst Signale – nur erkennen Sie sie vielleicht nicht. Wie Sie schwache Signale lesen und toxische Muster entlarven, zeigt dieser Artikel.
Warum die meisten Hybrid-Teams scheitern (und was erfolgreiche anders machen)
Hybrid ist kein Ort, sondern ein Missverständnis: Viele Teams scheitern, weil sie sich nie gefragt haben, warum sie sich treffen. Dieser Artikel zeigt, wie physische Präsenz wieder Sinn bekommt – mit 4 klaren Kategorien und systemischen Aha-Momenten.
0 Kommentare