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Alle dürfen alles – und niemand macht’s

Systemisches Team Debugging eines Remote Teams.

Ausgangslage: Remote-Team aus der Tech-Branche, 15 Teilnehmer beim Offsite
Problem: Hohe Autonomie im Alltag, aber wer entscheidet eigentlich was?
Symptome: Kundenunmut, Umsatzrückgang, Führung im Feuerwehr-Modus
Lösung: 2-Tage Offsite mit systemischer Rollenklärung
Ergebnis: „Wir reiten auf einer Welle“

Kennen Sie das? Alle sind eigenverantwortlich, aber sobald eine Entscheidung ansteht, herrscht Funkstille. Moderne Remote-Teams leben oft in diesem Paradox: maximale Autonomie bei minimaler Klarheit. Wie wir dieses Dilemma in einem Offsite System Debugging innerhalb von zwei Tagen aufgelöst haben.

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(Mit NotebookLM erstellt)

Wo ist hier der Knopf für „klare Verantwortung“?

„Wer ist eigentlich für was zuständig?“

Diese Frage hallte durch die täglichen Zoom-Calls eines Technologieunernehmens. Im Remote-Alltag funktionierte das Team prima – alle hochqualifiziert, eigenverantwortlich, digital versiert. Aber sobald Entscheidungen anstanden oder Probleme auftauchten: Funkstille.

Der CEO liebte es, operativ mitzuschrauben, wusste aber gleichzeitig, dass er strategischer arbeiten sollte. Der COO versuchte zu entlasten, hatte aber keine klare Entscheidungsgrundlage. Das Team wollte Verantwortung übernehmen und ihre Führungskräfte unterstützen – hatte aber nie die Möglichkeit dazu bekommen.

Klassisches Remote-Leadership-Dilemma: Autonomie ohne Struktur. Alle können alles, aber niemand weiß, wer was entscheiden darf.

Das Tückische daran? Es schleicht sich ein. Anfangs fühlt sich die Freiheit großartig an. Jeder macht sein Ding, Remote-Work-Romantik in Vollendung. Bis plötzlich die Kunden unzufrieden werden und niemand weiß, wer dafür verantwortlich ist. Oder besser: Alle fühlen sich verantwortlich, aber keiner ist handlungsbefugt.

Tag 1: Beziehung vor Struktur

„Ohne Vertrauen läuft kein Team.“

Der erste Denkfehler vieler Führungskräfte: Sie springen sofort zu Prozessen und Organigrammen. Ich beginne anders – mit der Beziehungsebene.

Warum? Weil Remote-Teams besondere Herausforderungen haben. Die informellen Gespräche am Kaffeeautomaten fallen weg, der kurze Austausch zwischen den Meetings auch. Also starteten wir mit systemischen Methoden aus ORSC: „Original Myth“ und „My Land / Your Land“.

Was dabei herauskam? Überraschende Erkenntnisse:

  • Der CEO wollte schon lange strategischer arbeiten, liebte es aber auch, operativ mitzuschrauben – und konnte seine neue Rolle noch nicht sicher greifen
  • Das Team wollte mehr Verantwortung übernehmen und ihre Führungskräfte unterstützen, hatte aber bisher nie die Möglichkeit dazu bekommen
  • Der COO fühlte sich zwischen allen Stühlen – zu viel operative Arbeit, zu wenig strategische Klarheit

„Wir haben ein starkes Fundament – nur sprechen wir selten darüber.“

Bingo. Connection established.

 

Tag 2: Von der Spiegelung zur Struktur – und ein außergewöhnlicher Moment

„Ein Team kann nur verändern, was es klar sehen kann.“

Tag zwei wurde konkret. Mit der richtigen Frage: Wie erzeugen wir die Situation, in der unsere Kunden unzufrieden sind?

Nicht: „Warum sind die Kunden unzufrieden?“ (führt zu Rechtfertigungen)
Nicht: „Was machen wir falsch?“ (führt zu Schuldzuweisungen)
Sondern: „Wie schaffen wir es gemeinsam, dass es so läuft?“

Die Antworten kamen wie ein Wasserfall:

  • „Wir haben keine klaren Product Owner“
  • „Accountverantwortung ist nirgendwo definiert“
  • „Der CEO macht operative Arbeit, statt das Produkt zu entwickeln“
  • „Wir entscheiden im Kreis, statt voranzugehen“

Mit Liberating Structures, Visual Thinking und viel systemischer Spiegelung machten wir das Unsichtbare sichtbar. Plötzlich wurde klar: Das Problem war nicht mangelnde Kompetenz oder fehlender Wille. Das Problem war ganz klassisch: fehlende funktionale Erfüllung der Rollen.

Der außergewöhnliche Moment: Das Team definiert seine ideale Führung

Dann passierte etwas, was nicht viele Führungskräfte überhaupt in Erwägung ziehen: Das Team formulierte live, wie ihre ideale Führungskraft aussehen sollte. Nicht als Kritik, sondern als konstruktiver Beitrag. Funktionen, Wünsche, konkrete Erwartungen.

Und CEO und COO? Hörten zu, fragten nach und griffen es auf – live! Ohne Verteidigung, ohne „aber wir können nicht“. Stattdessen: „Das ergibt Sinn. Wir besprechen das sofort und kommen mit konkreten Ideen zurück.“

In diesem Moment entstand echte Führungspartnerschaft.

Die neue Führungsstruktur: Gemeinsam entwickelt

„Rollenklärung ist die Klärung von Macht!“

Gemeinsam entwickelten wir eine neue Struktur – nicht als Organigramm, sondern als geteiltes Verständnis von Verantwortung:

CEO als strategischer Treiber: Produktvision und Unternehmensentwicklung – mit der Erlaubnis, auch mal operativ mitzuschrauben, aber nicht mehr als Hauptjob.

COO als operativer Anker: Pricing, Prozesse, Cashflow – alles was das Unternehmen stabil hält, mit klaren Entscheidungsbefugnissen.

Product Owner als Kundenanwalt: Hält Kundennutzen und Produktentwicklung zusammen. Eine Rolle, die vorher zwischen allen Stühlen hing.

Team als aktive Mitgestalter: Nicht nur Empfänger von Entscheidungen, sondern Entwickler der Lösung.

Das Besondere: Jede Rolle wurde gemeinsam definiert. Das Team wusste genau, was sie von ihren Führungskräften erwarteten. CEO und COO wussten genau, welche Unterstützung sie bekommen würden.

Zurück im Remote-Alltag: Das Ergebnis

„Es ist umsetzbar – und realistisch.“

48 Stunden später war aus dem orientierungslosen Team wieder eine funktionierende Einheit geworden. Die Kommentare am Ende des Offsites sprachen für sich:

„Wir hatten endlich richtig gute Gespräche zwischen CEO und COO.“
„Wir haben ein tolles Team – offen und kritikfähig.“
„Wir reiten auf einer Welle.“

Was Remote-Teams wirklich brauchen

Remote-Teams sind anspruchsvolle Gebilde. Sie brauchen andere Führungsstrukturen als Präsenzteams, weil die informellen Kommunikationswege fehlen. Was im Büro über den Flur geregelt wird, muss remote explizit strukturiert werden.

Das Paradox: Mehr Autonomie braucht klarere Strukturen. Nicht weniger Führung, sondern bewusstere Führung. Nicht weniger Entscheidungen, sondern klarere Entscheidungswege.

Genau deshalb funktioniert der klassische „Lass sie mal machen“-Ansatz bei Remote-Teams oft nicht. Autonomie ohne Struktur driftet ins Chaos.

Was können Sie diese Woche tun?

Quick-Fix (diese Woche): Machen Sie eine „Rolle-Responsibility-Matrix“ für Ihr Team. Wer entscheidet was? Wer wird informiert? Wer führt aus? Remote-Teams brauchen diese Klarheit schwarz auf weiß.

Struktur-Upgrade (nächsten 4 Wochen): Führen Sie regelmäßige „Beziehungs-Checks“ ein. 15 Minuten pro Woche nur für Abstimmung und Befindlichkeit. Keine Tasks, keine Updates – nur: Wie geht es uns als Team?

Offsite-Investment (nächste 3 Monate): Investieren Sie in intensive Präsenzzeit. Remote-Teams brauchen regelmäßige Offsites für die wirklich wichtigen Gespräche. Manche Themen lassen sich nur von Angesicht zu Angesicht klären.


💡 Steckt Ihr Remote-Team auch in ähnlichen Mustern fest?

Genau für solche Situationen habe ich mein Format „Systemisches Team-Debugging“ entwickelt. Intensive Offsites, die Teams aus festgefahrenen Strukturen herausführen – mit systemischen Methoden und konkreten Ergebnissen.

Mehr zum Systemisches Debugging

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Ines Schaffranek

Ines Schaffranek

Systemische Teamcoaching + Führungskräfteenwicklerin

Ines ist Sparringspartnerin für Führungskräfte, die in komplexen Systemen navigieren. Nach ihrem Kulturwissenschaftsstudium und Jahren der Beobachtung, wie Teams sich selbst sabotieren, hat sie ihre Mission gefunden: Zusammenarbeit so zu gestalten, dass Menschen aufblühen statt ausbrennen. Seit 2019 begleitet sie als systemischer Teamcoach (ORSC) Organisationen beim Debugging ihrer Führungskultur. Privat tauscht sie Systemtheorie gegen Schwerkraft – beim Rollerskating in Rampen, wo Fehler sofort spürbar werden.

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